Wirtschaftsimmobilien im Wandel: Neue BBSR-Studie zeigt Handlungsbedarf für Büro- und Einzelhandelsmärkte
Die Art, wie wir arbeiten und einkaufen, hat sich fundamental verändert. Eine aktuelle Studie von bulwiengesa im Auftrag des BBSR zeigt nun erstmals umfassend, welche Auswirkungen multiple Krisen, Homeoffice und Klimaverpflichtungen auf Wirtschaftsimmobilien haben – und welche Strategien jetzt gefragt sind.
Büromarkt: Zwischen Flächenüberhang und neuen Anforderungen
Die Corona-Pandemie hat als Katalysator gewirkt: Homeoffice und hybride Arbeitsmodelle sind zur neuen Normalität geworden. Die Folgen für den Büromarkt sind erheblich. Unsere Berechnungen zeigen, dass allein in den sieben A-Städten durch Homeoffice ein theoretisches Einsparpotenzial von rund 18 Mio. qm Bürofläche besteht.
Je nach Umsetzungsquote ergibt sich bis 2028 ein Minderbedarf von bis zu 6,0 Mio. qm. Das könnte die Leerstandsquote von derzeit 5,8% mancherorts mehr als verdoppeln. Besonders betroffen: ältere Gebäude in peripheren Lagen ohne ESG-Zertifizierung.
Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach modernen, flexiblen und nachhaltigen Büroflächen in zentralen Lagen. Das Büro wird zum Ort der Kollaboration und Begegnung – mit entsprechend höheren Anforderungen an Ausstattung, Technologie und Aufenthaltsqualität.
Einzelhandel: Strukturwandel beschleunigt sich
Der stationäre Einzelhandel steht massiv unter Druck. Zwischen 2020 und 2024 verschwanden 17,9% der Modegeschäfte aus deutschen Innenstädten. Die Verfügbarkeitsquote in den „Big 9"-Städten stieg von 7% (2019) auf 16,5% (2023).
Doch es gibt auch positive Signale: Gastronomie wächst auf den Highstreets um 11,6%, lokale und regionale Anbieter gewinnen an Bedeutung. Die Innenstädte wandeln sich von monofunktionalen Handelslagen zu multifunktionalen Erlebnisorten.
ESG wird zum entscheidenden Faktor
Nachhaltigkeit ist längst kein Nice-to-have mehr. ESG-zertifizierte Büroimmobilien erzielen in Europa im Durchschnitt 6% höhere Mieten bei gleichzeitig niedrigeren Leerstandsquoten (6% vs. 8%). Immobilien ohne ESG-Konformität droht der Status als „Stranded Assets" – sie verlieren an Wert und Marktfähigkeit.
Die Lösung: Mixed-Use und progressive Stadtentwicklung
Die Studie macht deutlich: Die Zukunft gehört gemischt genutzten Quartieren, die Wohnen, Arbeiten, Handel, Gastronomie und Freizeit intelligent verbinden. Diese „Stadt der kurzen Wege" schafft:
- Resilienz durch diversifizierte Nutzungsstrukturen
- Lebendigkeit durch verschiedene Besuchsanlässe
- Nachhaltigkeit durch reduzierte Mobilität
- Attraktivität für Bewohner und Unternehmen
Erfolgsbeispiele wie das Westfield Überseequartier in Hamburg oder das Tabakquartier in Bremen zeigen, wie Transformation gelingen kann.
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Aus der Studie leiten sich klare Empfehlungen ab:
Für die Immobilienwirtschaft:
- Investitionen in ESG-konforme Sanierungen priorisieren
- Flexible, modulare Raumkonzepte entwickeln
- Auf Mixed-Use-Entwicklungen setzen
- Digitale Integration vorantreiben
Für Städte und Kommunen:
- Bebauungspläne flexibilisieren
- Nachhaltige Bauweisen fördern und fordern
- BIDs und PPPs als Kooperationsmodelle nutzen
- Multimodale Erreichbarkeit ausbauen
- Experimentierräume für innovative Konzepte schaffen
Fazit: Chancen im Wandel erkennen
Der Strukturwandel bei Wirtschaftsimmobilien ist in vollem Gange. Doch er bietet auch Chancen: für lebendigere Innenstädte, nachhaltigere Gebäude und zukunftsfähige Stadtquartiere. Entscheidend ist, dass alle Akteure – Immobilienwirtschaft, öffentliche Hand, Handel und Nutzer – gemeinsam an zukunftsorientierten Lösungen arbeiten.
Die vollständige Studie „Büro- und Einzelhandelsimmobilien im Spannungsfeld von Krisen, Homeoffice und Klimaverpflichtung" steht als BBSR-Online-Publikation 45/2025 zum kostenlosen Download bereit.
Über die Studie: Die Untersuchung wurde von bulwiengesa im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) durchgeführt und kombiniert quantitative Marktanalysen, Experteninterviews, Workshops und Fallbeispielanalysen. Datenstand: Ende 2023.
Die gesamte Studie zum Download finden Sie HIER.
Ansprechpartner: Dr. Joseph Frechen, Bereichsleiter Einzelhandel und Niederlassungsleiter Hamburg, joseph.frechen@bulwiengesa.de und Jakob Nussbaum, Senior Consultant im Bereich Büro- und Gewerbeimmobilien, jakob.nussbaum@buliwnegesa.de
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