ESG: Ist „S“ die Lösung?
Während das „E“ in ESG kräftig reguliert, diskutiert und bearbeitet wird, ist die Komponente „Social“ noch schwammig – und bietet genau deshalb Raum für Kreativität. Bieten Immobilien-Engagements mit sozialem Mehrwert bessere Chancen?
Es braucht Daten für die Messbarkeit, eine ganzheitliche ESG-Strategie und kreative Köpfe. So vielleicht könnte ein verkürztes Resümee unserer gemeinsam mit den Rechtsanwälten GSK Stockmann durchgeführten Veranstaltungsreihe in Berlin, München, Frankfurt und Berlin zur sozialen Komponente in ESG lauten (--> Letzte Chance: Expo Real am 8.10., 13-14 Uhr, Raum B21).
Es geht voran: Gerade wurde ein Regierungsentwurf verabschiedet, dass Unternehmen auf Grundlage des CSRD-Umsetzungsgesetzes künftig zusammen mit ihrem Jahresabschluss detailliert über ihren Umgang mit sozialen und ökologischen Herausforderungen berichten sollen; auch wird der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen zeitlich gestaffelt ausgeweitet. Darin liegt die Chance, mit sozialen Kriterien zu gestalten. Allein der Blick auf die ökologische Komponente reicht nicht aus. Neben ausgewählten ökologischen Kriterien können soziale Kriterien zudem Bestandteil einer Anlagestrategie nach Artikel 8 SFDR sein.
Dabei sind soziale Ziele nach wie vor sehr weich formuliert; perspektivisch soll zwar eine soziale Taxonomie entstehen, aber noch hat die EU für „S“ keinen Rahmen gesteckt. Aktuell werden die Kriterien und Indikatoren der Sozial-Taxonomie in Arbeitsgruppen und Expertengremien der EU beraten und entwickelt. Erste Entwürfe und Vorschläge wurden veröffentlicht und es laufen Pilotprojekte zur Prüfung der Praktikabilität und Wirksamkeit.
Zweifellos brauchen nachhaltige Investments auch einen ganzheitlichen Ansatz: Nicht separate E-, S- und G-Produkte sollen geschaffen werden – was geschaffen werden muss, ist Transparenz. Incentivierung kann zum Gelingen beitragen, zumal es von EU-Seite auch keine Sanktionen gibt.
Was bedeutet das für die Immobilienwirtschaft?
Sowohl auf Objektebene als auch auf städtischer und Quartiersebene sind relevante Kriterien zu finden, die soziale Faktoren enthalten. Das gilt für alle Assetklassen. Eine wichtige Frage ist, welche sozial messbare Nutzung es gibt.
Dringend benötigt werden Daten – für die Berichterstattung, aber erst recht als Basis für Investments, gleich ob für Optimierung des Bestands oder neue Projektentwicklungen. Die RIWIS-Datenbank von bulwiengesa enthält zahlreiche Variablen, die auf „Social“-Faktoren abzielen, wie Erreichbarkeiten, Nahversorgung, Ärzte- und Pflegeheime, Schulen, Grünanlagen sowie demografische und volkswirtschaftliche Variablen wie Altenquotient, Erschwinglichkeit und Mieten für alle Assetklassen. Insbesondere die Vernetzung im Quartier und die Bezahlbarkeit von Wohnungen, Büros oder anderen Gewerberäumen sind wesentlich für eine soziale Stadt.
Beispiele für soziale Elemente im Bereich Wohnen, Gewerbe, Quartier
Preisgebundener und preisgedämpfter Wohnraum
Investition in öffentlich-geförderten Wohnraum und/oder Einhaltung einer freiwilligen Mietpreisbegrenzung unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete.
Soziale Wohnkonzepte
Investitionen in Mehrgenerationenwohnanlagen und Quartiere, die über einen Nutzermix verfügen.
Altersgebundener Wohnraum
Investitionen in Wohnungen, welche durch Betreiber verwaltet werden, die Angebote des betreuten Wohnens oder der ambulanten Pflege umfassen, beispielsweise durch Angebot ambulanter oder teilstationärer Pflegedienste und/oder weiterer, auf Versorgung ausgerichtete Serviceangebote (z. B. Mahlzeitenversorgung oder Fahrdienste).
Barrierefreiheit
Investitionen in Objekte, die für einen Teil ihrer Nutzfläche Barrierefreiheit gemäß anerkannter Standards nachweisen.
Zentralität
Fußläufige Erreichbarkeit (maximale Entfernung 600 m) von Einrichtungen mit komplementären Nutzungen (z. B. Einzelhandel, medizinische Einrichtungen, Kindergärten, Schulen, Sportstätten).
Selektive Förderung von Nutzern
Vermietung an Personen / Unternehmen, die den nachstehend gelisteten Branchen und Sektoren zuzuordnen sind: Healthcare, Seniorenheime, Studentenheime, Kindertagesstätten, etc.
Branchenselektiver Ausschluss von Nutzern
Ausschluss der Vermietung an Personen / Unternehmen ausgewählter Branchen und Sektoren.
Mehrwert für Community
Durch Schaffung und Bewirtschaftung von (ggf. mietpreisreduzierten) Einzelhandels- und Gewerbeimmobilien einen Beitrag zu einer integrativen und nachhaltigen Urbanisierung leisten und insofern dazu beitragen, dass Städte inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestaltet werden.
Nachhaltige Quartiersentwicklung
Mit Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, Zugang zu lokaler Infrastruktur und Förderung kultureller und wirtschaftlicher Vielfalt im Quartier eine hohe soziale gesellschaftliche Wirkung erzielen.
Fazit
Schon aufgrund der neuen gesetzlichen Anforderungen unter anderem aus der CSRD braucht es eine Haltung der Immobilienwirtschaft zum „S“; die Akteure müssen dazu Stellung beziehen. Aber ESG muss ganzheitlich betrachtet werden – und trotz möglicher Konflikte (bspw. hoher energetischer Standard vs. Erschwinglichkeit) darf das „S“ nicht gegen das „E“ ausgespielt werden – Abstriche werden jeweils nötig sein, um Zielkonflikte aufzulösen. Oft kann ein Mehrwert für die Nutzer der Immobilien schon mit einfachen Mitteln generiert werden; gutes Assetmanagement ist gefragt.
Um nachhaltige und zugleich betriebswirtschaftlich sinnvolle Lösungen rund um das „S“ zu schaffen, kommt es auf alle Stakeholder und Perspektiven an: die Entwickler, die Bestandshalter, die Vermieter, die finanzierenden Banken und die Stadtplaner bzw. öffentliche Hand. Und schließlich: Der Raum für Kreativität darf genutzt werden!
Ansprechpartner: Sven Carstensen, Vorstand bei bulwiengesa, carstensen@bulwiengesa.de und Margo Lange, Consultant im Bereich Wohnen und Projektmanagerin Nachhaltigkeit bei bulwiengesa, lange@bulwiengesa.de
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