Leichter Aufwärtstrend
Zweimal im Jahr erstellen wir Prognosen für die Immobiliensegmente Wohnen, Büro, Einzelhandel und Logistik. Diese wurden kürzlich in einem Webinar vorgestellt, zu dem sich rund 750 Interessierte angemeldet hatten. Hier die wichtigsten Ergebnisse und der Link zur Aufzeichnung.
Volkswirtschaft: Konjunktur hellt sich minimal auf
Felix Embacher, Generalbevollmächtigter und Leiter des Research-Bereichs, stellte die volkswirtschaftlichen Analyse dar. Die Konjunktur war 2023 von einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 % geprägt, bedingt durch hohe Energiepreise und eine straffere Geldpolitik. Für 2024 erwartet bulwiengesa einen leichten Anstieg um 0,2 % des realen BIP, was einer Stagnation gleichkommt. Die Investitionsleistung im Jahr 2024 wird sich negativ auf das Wachstum auswirken – Importe wachsen schneller als Exporte. Energieintensive Sektoren verlieren an Wettbewerbsfähigkeit, dem Baugewerbe geht es mittlerweile wieder etwas besser, steckt aber weiterhin tief in der Krise.
Stimmungsindizes wie das Deutsche Hypo Immobilienklima zeigen in allen Segmenten Anzeichen einer Erholung. Der Arbeitsmarkt erwies sich als robust und zeigt einen Rekord bei der Zahl der Beschäftigten, aber vor allem durch die wachsende Teilzeitbeschäftigtenquote. Weiterhin beeinträchtigt der Fachkräftemangel das Wachstum.
Die Inflation wird 2025 voraussichtlich von 2,4 % auf 1,9 % sinken. Der Zinssatz wird voraussichtlich im Juni und zwei weitere Male in diesem Jahr um je 25 Basispunkte gesenkt. Zu den Risiken der deutschen Volkswirtschaft gehören strukturelle Schwächen, ein langfristiger Rückgang des Arbeitskräftepotenzials sowie die auf Deutschland einwirkenden globalen Risiken. Positiv ist, dass sich die Konjunktur allmählich aufhellt, die Inflation zurückgeht, der Arbeitsmarkt robust ist und die Zinswende langsam eingeleitet ist.
Wohnungsmarkt: Von Mangel geprägt, Chancen im Senior Living
Dr. Heike Piasecki, Leiterin des Bereichs Wohnen und Niederlassungsleiterin München, sprach zunächst über die Bevölkerungsprognosen bis 2035 und deren Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt. Dabei gibt es erhebliche regionale Unterschiede in der Bevölkerungsentwicklung. Metropolen wie Berlin, Hamburg und München verzeichnen Bevölkerungszuwächse, während andere Regionen Verluste erleiden. Vor allem in Ostdeutschland steigt die Zahl alter Menschen bis 2035 erheblich. Alleine die Tatsache, dass deutschlandweit rd. 82 % der Senioren in den eigenen vier Wänden über keinen stufen- bzw. schwellenlosen Wohnraum verfügen, gibt Anlass, sich mit dem Wohnungsangebot für die alternde Bevölkerung auseinanderzusetzen.
Der Blick auf die Wohnungsfertigstellungen und -genehmigungen ist ernüchternd. Im Jahr 2023 wurden lediglich 294.000 Wohnungen fertiggestellt – weit unter dem Ziel der Bundesregierung von 400.000 Wohnungen pro Jahr. Die Zahl der genehmigten Wohnungen war ebenfalls rückläufig, was auf eine zukünftige Verringerung der Bautätigkeit hinweist. Eine extreme Nachfrage trifft auf mangelndes Angebot, was in den meisten Gebieten, besonders aber in den Großstädten, zu steigenden Mieten führt. Allerdings werden die Kaufpreise im Neubau in den nächsten Jahren in vielen Großstädten stagnieren bzw. sich nur leicht steigend entwickeln. Die Vervielfacher für Mehrfamilienhäuser gehen in allen Stadtkategorien zurück – in A-Städten bspw. vom 25,3-Fachen auf das 23,1-Fache – und erreichen auch bis 2028 nicht mehr das Niveau von 2023.
Einzelhandelsimmobilien: Reale Mietrückgänge, Stadtumbau gefragt
Dr. Joseph Frechen, Bereichsleiter für Einzelhandelsimmobilien und Niederlassungsleiter Hamburg, analysierte eingangs die Auswirkungen der Verbraucherpreisentwicklung auf den Einzelhandel. Die Inflationsrate war Q1/2024 auf unter 3 % gesunken, was primär auf eine Dämpfung der Energiepreise sowie Nahrungs- und Genussmittelpreise zurückzuführen ist. Die vergleichsweise hohe Dynamik der Inflation 2022 und 2023 hat zwar die Verbraucherpreise zum Leidwesen der Konsumenten erhöht, aber Immobilieneigentümern mit indexierten Mietverträgen nominale Mieterhöhungen beschert. Insbesondere Vermieter von Nahversorgungsflächen profitieren von dieser Entwicklung, das Käuferinteresse für Nahversorgungsobjekt bleibt hoch.
In den Highstreetlagen der Innenstädte gehen die Spitzenmieten bereits seit ihrem Peak im Jahr 2017/18 sukzessive zurück. Davon waren auch die A-Städte betroffen. Auch bis 2028, so die bulwiengesa-Prognose, werden die Spitzenmieten in Highstreet-Lagen sinken – je kleiner die Stadt, desto stärker. Jedoch steigt sie in den sieben A-Städten nominal 3,6 % bis 2028 an.
Joseph Frechen erläuterte auch die Bedeutung der Kaufkraft mit ihren großen regionalen Unterschieden. Regionen mit hoher Kaufkraft, wie Bayern und Baden-Württemberg, verzeichneten bessere Einzelhandelsumsätze und tendenziell höhere Mieten. Berlin belegt zwar den ersten Platz des Rankings nach Kaufkraftsumme, aber bei der Pro-Kopf-Kaufkraft liegt sie 6 % unter dem deutschen Durchschnitt. Die sieben deutschen A-Städte weisen in Kaufkraftindex einen Mittelwert von 111,6 aus und hängen damit die deutsche Hauptstadt deutlich ab. Berlin profitiert jedoch davon, dass es zu den World Cities gezählt wird. Hier wollen internationale Filialisten in den besten Lagen präsent sein und auch von den hohen Frequenzen aus Touristen, Tagesbesuchern und Einwohnern profitieren.
Anders sieht die Lage in den übrigen Städten aus. Hier macht sich auch die Unsicherheit zur Zukunft der Warenhäuser bemerkbar. Diese Häuser werden sich perspektivisch in gemischt genutzte Immobilien wandeln. Diese Veränderung geht einher mit einer Anpassung der Mieten und Lagequalitäten in den Highstreet-Lagen. An einer Neuausrichtung der Innenstädte führt kein Weg vorbei.
Logistikimmobilien: Noch immer sicherer Hafen
Felix Werner, Teamleiter für Logistik- und Unternehmensimmobilien, beschrieb die Dynamik im Logistikmarkt. Die Nachfrage nach Logistikflächen ist weiterhin gegeben, hat aber gegenüber der absoluten Hochphase im Markt etwas nachgelassen. Die Fertigstellungszahlen gehen leicht zurück, ohne aber komplett einzubrechen. Am meisten neue Logistikflächen wurde 2023 in der Region Rhein-Ruhr fertiggestellt.
Die Mieten für Logistikimmobilien sind in den vergangenen Jahren aufgrund von Flächenknappheit und gestiegenen Gebäudeanforderungen deutlich angestiegen. Die Mietsteigerungen waren besonders in Logistikregionen wie München extrem, wo sich die Mieten innerhalb eines Jahres um bis zu 1,50 Euro pro Quadratmeter erhöht haben. Logistikmieten werden in den nächsten Jahren aufgrund des Flächenmangels und neuer ESG-Anforderungen voraussichtlich weiter steigen, wenngleich deutlich moderater als jüngst. Festzuhalten ist auch, dass nicht mehr jede Fläche zu fast allen Konditionen attraktiv ist, hier macht sich die Zurückhaltung der Nutzer aufgrund der konjunkturellen Schwäche bemerkbar.
Büroimmobilien: Mehr Leerstand, gute Lagen krisenresistent
Alexander Fieback, Bereichsleiter für Büroimmobilien und Niederlassungleiter Berlin, sprach über die Herausforderungen im Büromarkt. Dieser befindet sich nach einem langen Boom derzeit in einer Krisenphase. Noch wird in den A-Städten viel gebaut, wobei der Höhepunkt im Jahr 2024 erwartet wird. Diese Bautätigkeit wird vor allem dann zu einem Anstieg der Leerstände führen, wenn die Nachfrage nicht mithält, so wie es aktuell der Fall ist.
Unabhängig von der eher konjunkturell bedingten Zurückhaltung der Nachfrager sind hochwertige Objekte in guten Lagen jedoch weiterhin gefragt, während weniger attraktive Büros schwieriger Nutzer finden. Während die Spitzenmieten in peripheren Lagen unter Druck stehen, steigen sie bei Büros mit guter Ausstattung in Top-Lagen der Innenstädte weiter an, von durchschnittlich 38,50 Euro in A-Städten 2023 auf rund 44,40 Euro bis 2028.
Gute Nachricht für den Büromarkt: Die Bürobeschäftigung wird in den kommenden Jahren moderat steigen, zumindest in den großen Marktstädten. Dies wird die Nachfrage in Verbindung mit einer konjunkturellen Aufhellung wieder stabilisieren. Das ganze natürlich unter dem Eindruck von Remote Work.
Anders als im Logistikmarkt ist der Investmentmarkt im Bürobereich noch nicht wieder angesprungen, die Preisfindung zwischen Käufer und Verkäufer ist noch nicht abgeschlossen. Daher geht bulwiengesa davon aus, dass die Renditen 2024 noch weiter steigen werden. Durch die erwarteten Zinssenkungen wird es jedoch mittelfristig wieder eine Stabilisierung und auch ein leichtes Absinken des Renditeniveaus geben.
Die Renditen werden sich dabei in den kommenden Jahren auseinander entwickeln: Gut positionierte Büros, die ESG-Kriterien erfüllen, treffen weiterhin auf Nachfrage. Objekte mit Mängeln und in Lagen außerhalb der Innenstädte werden hingegen Schwierigkeiten bekommen.
Hinweis: Hier gehts zur --> Aufzeichung des Webinares vom 28. Mai 2024 auf YouTube.
Ansprechpartnerin: Sigrid Rautenberg, Leiterin Unternehmenskommunikation und Marketing bei bulwiengesa, rautenberg@bulwiengesa.de.
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