No Panic!
Die Zäsuren in der Weltwirtschaft wirken auf den Immobilienmarkt. Dabei steigen bereits seit Ende 2021 die Inflationsraten und es wurde offensichtlich, dass die laxe Geldpolitik schnell ein Ende würde finden müsse. Vor undifferenzierten Crash-Szenarien indes sollten wir uns hüten.
Neben den beiden ökonomischen Zäsuren Inflation und Zinsentwicklung – bekanntlich befeuerten über lange Zeit Niedrigzinsen den Immobilienboom in Deutschland – manifestiert der Ukraine-Krieg nun eine militärische und geopolitische Zäsur. Zugleich verändert und verstärkt diese dritte Zäsur in ihren Auswirkungen die beiden anderen Zäsuren und somit die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, auch für den heimischen Immobilienmarkt. Auch die bekannten Herausforderungen wie demografischer Wandel, Klimawandel, Fachkräftemangel und regionale Disparitäten sind durch die akute Krise natürlich nicht vom Tisch.
Die Marktteilnehmer sind verunsichert: Wie entwickelt sich die Inflation? Flacht die Zinskurve ab? Wie entwickelt sich die Verfügbarkeit von Materialien und Arbeitskräften? Die Verunsicherung spiegelt auch das aktuelle Immobilienklima wider. Dieses Stimmungsbarometer erstellen wir monatlich für die Deutsche Hypo. Nachdem das Immobilienklima bereits im Mai unter die 100-Punkte-Marke gefallen war, sinkt die Stimmung der rund 1.200 befragten Immobilienexpertinnen und -experten im Juni drastisch: Das Immobilienklima bricht um 17,5 % auf 80,8 Punkte ein und erfährt damit den deutlichsten Rückgang seit Beginn der Coronakrise. Dazu beigetragen hat insbesondere das stark rückläufige Investmentklima – dessen Rückgang lag bei über 21 %.
Ein weiterer wichtiger Seismograph für die gefühlte Geschäftslage ist das BF.Quartalsbarometer, das die Stimmung ausgewählter Expertinnen und Experten der Kreditgeberseite abfragt. Bereits 2019 war die Stimmung für Gewerbefinanzierungen angespannter als in den Jahren zuvor, dann drehte die Pandemie die Stimmung deutlich ins Negative. Zwei Jahre nach dem starken Rückgang des Barometerwertes infolge der Corona-Pandemie sinkt der Wert im aktuellen zweiten Quartal 2022 wieder deutlich ab, dieses Mal auf -12,01 Punkte (zum Vergleich: Im Q1/2015 war der Barometerwert auf seinem bisherigen Höchststand von 8,11 Punkten). Hauptgründe für den starken Rückgang sind in der hohen Inflation und den langfristig anziehenden Zinsen zu sehen.
Auch der deutsche Projektentwicklungsmarkt gerät nach Jahren des Wachstums ins Stocken. Steigende Zinsen und stark anziehende Baukosten erschweren das Geschäft der Developer deutlich. So gut wie alle Nutzungsarten (Büro, Handel, Wohnen, sonstige) leiden unter unwirtschaftlichen Marktbedingungen wie begrenzten Erträgen bei Mieten und Preisen und weiterhin sehr stark steigenden Kosten bei den Bauleistungen.
Ausblick
Der in der letzten Dekade finanzmarktgetriebene Immobilienmarkt verändert sich. Geschäftsmodelle müssen überprüft und an die neuen Gegebenheiten angepasst werden; auch eine genaue Prüfung und die Selektion in den Portfolios ist unabdingbar, höhere Zinsbelastungen werden den Investmentmarkt nachhaltig beeinflussen. Projektentwicklungen werden weiterhin zurückgehen. Die Pflege von Beständen rückt in den Vordergrund, der Transaktionsmarkt wird verhaltener. Die Chancen liegen in der richtigen Auswahl der Projekte, sowohl im Bestand als auch in der Projektentwicklung.
Einen Paradigmenwechsel wird es also nicht geben. Der – oft übersehene – demografische Wandel ist dabei als große Kraft anzusehen.
- Mittlere und preiswerte Marktsegmente gewinnen klar an Bedeutung
- Demografische Entwicklung unterstützt Immobilien mit Seniorennachfrage
- Der Trend zur Suburbanisierung hält an – Re-Urbanisierung war gestern
- Logistikpreise und Nahversorgunszentren werden wieder erschwinglicher
- Shoppingcenter kommen aus dem Tal der Tränen heraus
- Geschäftshäuser erfinden sich neu
Ansprechpartner: Ralf-Peter Koschny, Sprecher des Vorstands, koschny@bulwiengesa.de
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