Sechs Empfehlungen für Wirtschaftsimmobilien
Als „Immobilienweise“ haben wir für das Frühjahrsgutachten Büro-, Unternehmens-, Logistik- und Hotelimmobilien beleuchtet. Und sechs Empfehlungen für Politik und Wirtschaft ausgesprochen. Gleich drei dieser Empfehlungen haben mit Nachhaltigkeit zu tun.
Seit vielen Jahren beauftragt der ZIA den sogenannten Rat der Immobilienweisen mit der Analyse der Immobilienmärkte. Auch für das diesjährige Frühjahrsgutachten haben wir die verschiedenen Arten der Wirtschaftsimmobilien unter die Lupe genommen. Zwar driften die Entwicklungen etwa von Hotel- und Logistikimmobilien deutlich auseinander, dennoch gibt es hinsichtlich der Empfehlungen einen großen gemeinsamen Nenner.
1. Nachhaltigkeit mit Transparenz
Das Thema Nachhaltigkeit von Immobilieninvestments bestimmt aktuell und in Zukunft das Marktgeschehen. Für immer mehr Investoren ist es daher das Ziel, Fonds aufzulegen, die den Artikel 9 oder mindestens den Artikel 8 der seit dem 10. März 2021 gültigen Offenlegungsverordnung entsprechen. Die Erreichung der ESG-Nachhaltigkeitsziele soll hierdurch transparent ersichtlich sein.
Im engen Zusammenhang ist die Taxonomieverordnung zu sehen, die regelt, wann eine Investition ökologisch nachhaltig ist. Die hierfür maßgeblichen Kriterien sind derzeit in Teilen ausformuliert. Für Immobilienbestandshalter ergeben sich eine Reihe von Fragen und Widersprüchen. So fehlen zur Einordnung von Bestandsgebäuden regionale Benchmarks hinsichtlich der Gebäudeemissionen. Hierbei müsste auch auf die Unterschiedlichkeit von Wirtschaftsimmobilien vor allem hinsichtlich Gebäudetechnik und -hülle eingegangen werden. Der ZIA hat den Vorschlag eingebracht, den aktuellen Standard gemäß Gebäudeenergiegesetz (GEG) als Benchmark einzuführen; auch aus gutachterlicher Sicht ist dieser umzusetzen. Ebenfalls kurzfristig realisiert werden sollte die Einrichtung einer nationalen digitalen Gebäudedatenbank mit Informationen über Energiebedarf und CO2-Emissionen.
2. Nachhaltigkeit mit Augenmaß
Der Markt für Wirtschaftsimmobilien in Deutschland weist hohe regionale Disparitäten in Bezug auf erzielbare Mieten und Renditen auf. Die Ertragskraft von Gebäuden ist also differenziert zu beurteilen. So können relevante Sanierungen in strukturell schwächeren Regionen wirtschaftlich kaum über Mietanpassungen dargestellt werden. Der regionale Bezug bei der Messung der Erfüllung der Taxonomiekriterien muss daher mit der höchstmöglichen Granularität garantiert sein. Hohe energetische Gebäudeanforderungen führen zu höheren wirtschaftlichen Belastungen, in der Regel sowohl bei Mietern wie auch Vermietern. Dieser Zusammenhang ist insbesondere für preissensible Mieter (z.B. Start-ups) relevant. Hier sollten Systeme geschaffen werden, die es auch dieser Mietergruppe ermöglichen, sich die Erhöhung der energetischen Qualität des Gebäudes zu „leisten“. So könnte die Einführung von Anreizsystemen geprüft werden.
3. Wettbewerbsverzerrungen vermeiden
Die Betonung des Themas Nachhaltigkeit im Sinne von ESG und die damit verbundenen Ziele sind sehr zu begrüßen. Dennoch benötigen Projektentwickler, Investoren und Bestandshalter mehr Transparenz bzgl. der Maßnahmen, die umgesetzt werden müssen, um die Anforderungen – insbesondere gemäß Artikel 9 – der Offenlegungsverordnung zu erfüllen. In einigen Ländern werden zusätzliche Regulierungen erstellt, wodurch die Einordnung eines entsprechenden Fondskonzeptes derzeit auf unterschiedliche Art und Weise möglich ist. Es ist also Spielraum vorhanden, mindestens zwischen den Ländern. Dieser sollte möglichst minimal gehalten werden, damit solche Unterschiede innerhalb der EU nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Die bisher in Deutschland durchgeführten Genehmigungen von Artikel-8- und Artikel-9-Fonds gelingen außerdem nur in einem engen und für den Markt nicht transparenten Abstimmungsprozess mit den zuständigen öffentlichen Stellen. Dies gilt im besonderen Maße auch für die Erfüllung der bisher noch sehr fragmentiert definierten sozialen Kriterien. Hier wäre generell mehr Transparenz wichtig, um Investitionsentscheidungen gerade für diejenigen zu erleichtern, die in Vorleistung gehen müssen, etwa Projektentwickler.
4. Die Auswirkungen der Pandemie gestalten
Länger als ursprünglich angenommen wird das wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Leben von der Pandemie bestimmt. Dennoch besteht die berechtigte Hoffnung, dass mittelfristig eine Rückkehr in eine relative Normalität möglich sein wird. Aus Sicht der Wirtschaftsimmobilien wird diese Normalität zweifellos anders aussehen als vor der Pandemie. In diesem Zusammenhang ist die Zukunft der Innenstädte und die Verantwortung der Politik noch einmal zu betonen. Nur eine lebendige Urbanität sorgt für Prosperität, sowohl bei den Beherbergungs- als auch bei den Büroimmobilien. Daher ist den Verödungstendenzen entgegenzuwirken.
5. Flexibilität der Arbeitskonzepte ermöglichen
Die zukünftige Schreibtischarbeit wird sowohl zu Hause als auch in Unternehmensbüros stattfinden. Gegebenenfalls kommen dritte Orte wie das wohnortnahe Büro hinzu. Dabei wird die jeweils konkrete Ausgestaltung der Arbeitskonzepte sowohl von den betrieblichen Bedürfnissen als auch von den Anforderungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abhängig sein. Die Ermöglichung einer höchstmöglichen Flexibilität sollte im politischen Fokus stehen.
6. Gewerbeflächenangebot bleibt Flaschenhals
Wie im vergangenen Gutachten auch soll an dieser Stelle erneut die Knappheit an gewerblichen Flächen erwähnt werden. Dass die neue Bundesregierung noch stärker den Fokus auf die Schaffung von Wohnraum legt, ist sehr zu begrüßen. Dennoch sind die Bedarfe an bzw. die Bedürfnisse von Wirtschaftsimmobilien – und hier insbesondere der Unternehmensimmobilien – nicht komplett zu vernachlässigen. Sie bieten die Flächen für mittelständische Unternehmen, die das Rückgrat unserer Wirtschaft darstellen und damit Garant für unseren Wohlstand sind. Auf eine Ausgewogenheit bei der Nutzungsausweisung von zur Bebauung vorgesehenen Flächen wird daher nochmals hingewiesen. Eine besondere Bedeutung kommt kommunalen Gewerbe- und Industrieflächenkonzepten zu, auf deren Basis eine marktgängige Angebotsschaffung erfolgen kann. Einzubinden ist hierbei auch die Bestandsentwicklung von bestehenden Gewerbe- und Industriestandorten.
Hinweis: Das Frühjahrsgutachten sowie die Presseinformation können Sie hier lesen.
Ansprechpartner: Sven Carstensen, Vorstand bei bulwiengesa, carstensen@bulwiengesa.de
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