Wertermittlung bei Unternehmensinsolvenzen
In turbulenten Zeiten stehen mehr Unternehmen als sonst vor einer Insolvenz. Allein nach unseren Daten sind davon ca. 400 Projektentwicklungen betroffen sowie unzählige Bestandsimmobilien. Wertermittlungen für Insolvenzverwaltungen weisen idealerweise mehr aus als den Ist-Wert.
Eine zentrale Rolle im Insolvenzverfahren spielt die Wertermittlung von Immobilien, die häufig zu den wertvollsten Vermögensgegenständen eines Unternehmens zählen oder bei Bestandshaltern und Projektentwicklern den hauptsächlichen Unternehmenszweck bilden.
Daten belegen Zunahme
Zunächst ein Blick auf unsere Daten. Im Rahmen unseres Tools „Development Monitor“ untersucht bulwiengesa seit 2023 Insolvenzen von Projektentwicklern. Aktuell sind 30 insolvente Projektentwickler erfasst und deren Insolvenzstatus dokumentiert. Dabei wurden 400 Objekte mit einer Gesamtnutzfläche von 3,3 Millionen Quadratmetern erfasst, wovon Wohnimmobilien mit ca. 50 % am stärksten betroffen sind, gefolgt von Büroprojekten mit 30 %. 20 % der Projektentwicklungen sind Bestandsimmobilien im Eigentum insolventer Unternehmen. Diese Erfassung ist nicht vollständig, da besonders kleine Projektentwickler oft unbemerkt bleiben. Dennoch wurden viele volumenstarke Entwickler erfasst, was die Menge und Geschwindigkeit der aufgetretenen Schwierigkeiten in unserer über 40-jährigen Beobachtung der Branche in eine neue Dimension bringt.
Immobilien von Nicht-Immobilienunternehmen
Wesentlich höher dürfte die Anzahl an Bestandsimmobilien sein, die sich im Eigentum insolventer Unternehmen befinden, auch solcher, deren Unternehmenszweck nicht unmittelbar mit Immobilien in einem Zusammenhang steht. Hierzu besteht jedoch keine gesicherte Datenlage, da bei Insolvenzen allgemein zunächst nicht bekannt ist, ob ein Unternehmen Eigentümer oder etwa Mieter einer Immobilie ist. Laut Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts vom Mai 2024 wurden 31,1 % mehr Unternehmensinsolvenzen im Februar 2024 als im Februar 2023 festgestellt.
Nicht bei allen Insolvenzen muss eine Immobilie im Spiel sein, aber sehr häufig dürfte das der Fall sein. Insgesamt ist unverkennbar, dass die Branche derzeit stark getroffen wird.
Bedeutung der Immobilienbewertung bei Insolvenzen
Bei einer Unternehmensinsolvenz geht es darum, die Vermögenswerte des Unternehmens zu identifizieren, zu bewerten und zu verwerten, um die Forderungen der Gläubiger so weit wie möglich zu befriedigen. Immobilien machen in vielen Fällen einen erheblichen Teil des Unternehmensvermögens aus. Eine präzise Bewertung ist unerlässlich.
Unterstützung des Insolvenzverwalters
Der Insolvenzverwalter benötigt eine genaue Wertermittlung, um fundierte Entscheidungen über den Verkauf oder die anderweitige Verwertung der Immobilie zu treffen.
Information der Gläubiger
Gläubiger müssen über den Wert der Immobilie informiert sein, um ihre Forderungen angemessen zu platzieren und Verhandlungen über Rückzahlungen zu führen.
Transparenz gewährleisten
Eine transparente und nachvollziehbare Bewertung schafft Vertrauen bei allen Beteiligten und minimiert das Risiko von rechtlichen Auseinandersetzungen.
Veräußern oder Repositionieren?
Neben der reinen Wertermittlung des unbebauten Grundstücks, der begonnenen Projektentwicklung oder der Bestandsimmobilien benötigen Insolvenzverwalter erfahrungsgemäß häufig noch weitere Informationen.
Bestandsimmobilien
So wird bei Bestandsobjekten regelmäßig die Frage nach den Kosten für eine Repositionierung gestellt; dabei stehen Umnutzungs- und Nachnutzungskonzepte genauso im Fokus wie die weitere Marktentwicklung mit besonderem Augenmerk auf den Abbau von eventuellem Leerstand. Sind an der Immobilie Mängel und Schäden vorhanden, die einer wirtschaftlich optimalen Verwertung entgegenstehen, ist regelmäßig der Investitionsbedarf darzulegen, um Wertsteigerungspotenzial zu heben, beispielsweise durch ein Manage-to-ESG-Programm, um das Gebäude fit für die Zukunft zu machen.
Projekte im Bau
Bei bereits begonnenen, d.h. im Bau befindlichen Projektentwicklungen hingegen geht es in erster Linie um die Frage, ob die Projektentwicklung im gegenwärtigen Zustand veräußert werden oder fertiggestellt werden soll. Dafür müssen die Kosten für die Fertigstellung oder eine Repositionierung kalkuliert und darauf aufbauend die Liquiditätsplanung vorgenommen werden. Die größtmögliche Transparenz entsteht durch ergänzende Tätigkeiten wie eine objektive Bautenstandskontrolle und die Plausibilisierung der Bauzeit, die benötigt wird, um das begonnene Projekt fertigzustellen.
Herausforderungen und besondere Aspekte
Die Wertermittlung von Immobilien im Kontext einer Unternehmensinsolvenz ist oft mit besonderen Herausforderungen verbunden:
Marktunsicherheit
Insolvenzen treten häufig in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf, in denen der Immobilienmarkt volatil und die Preise unsicher sind. Dies erschwert die Prognose zukünftiger Wertentwicklungen, insbesondere in einem Marktumfeld, das nach wie vor durch eine geringe Anzahl an Transaktionen charakterisiert wird.
Spezialimmobilien
Unternehmen besitzen häufig Spezialimmobilien, wie Produktions- oder Industrieimmobilien, deren Bewertung komplexer ist, spezielle Fachkenntnisse erfordert und insbesondere eine ausgeprägte Datengrundlage erfordert.
Schnellverkauf
In vielen Insolvenzverfahren muss die Immobilie schnell veräußert werden, was naturgemäß aufgrund der kürzeren Vermarktungsdauer zu Abschlägen beim Verkaufspreis führen kann. Eine sorgfältige Abwägung zwischen schnellem Verkauf und optimaler Wertrealisierung ist erforderlich.
Ziel: gerechte Verwertung bei bestmöglichem Immobilienwert
Die Immobilienwertermittlung im Zusammenhang mit Unternehmensinsolvenzen ist ein komplexer und kritischer Prozess. Eine präzise und transparente Bewertung ist essenziell, um die Interessen der Gläubiger zu wahren und eine gerechte Verwertung der Unternehmensvermögenswerte zu gewährleisten. In einem volatilen Marktumfeld stellt es eine besondere Herausforderung dar, den bestmöglichen Wert der Immobilien zu realisieren.
Ansprechpartner: Marcus Badmann, Geschäftsführer bulwiengesa appraisal GmbH, Tel. 069-75 61 467 59, badmann@bulwiengesa.de
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