Gemischtwarenladen
Der stationäre Lebensmittel-Einzelhandel galt lange als Top-Performer innerhalb der Einzelhandelsbranchen. Nun macht einigen die hohe Inflation Sorgen – Verbraucher sparen auch bei Lebensmitteln. Gewinner sind die Discounter. Aber nicht nur diese feilen kräftig an ihrem Preisimage.
Der HAHN Retail Real Estate Report bietet einen umfassenden Marktüberblick über die Rahmenbedingungen für Handelsimmobilieninvestments. Auch für den diesjährigen Bericht haben wir in Zusammenarbeit mit CBRE und dem EHI Retail Institute zahlreiche Einzelhandelsbranchen und Marktrahmenbedingungen untersucht.
Der stationäre Einzelhandel hat in den meisten Branchen im letzten Jahr an Umsatz hinzugewonnen. Allerdings setzen Personal- und Lieferengpässe, gestiegene Personal-, Energie- und Mietkosten und die hohe Inflation, die häufig Umsatzsteigerungen real zu einem Minus werden lassen, dem Handel zu. Der Trend zum Einkauf preisgünstiger Produkte hat sich manifestiert.
Die Preise im Lebensmitteleinzelhandel legten aufgrund der Inflation als Folge der stark gestiegenen Energiekosten und der Lieferkettenproblematik im vergangenen Jahr signifikant zu. Auch 2023 hält die Entwicklung weiter an. Die Lebensmittelpreise in Deutschland entsprechen inzwischen nahezu denen der vormals als hochpreisig geltenden EU-Länder Frankreich oder Italien. Europaweit agierende Markenartikelhersteller, aber auch Eigenmarkenproduzenten haben ihre Preise deutlich angehoben. Bislang hatten Markenartikelhersteller in Deutschland noch Abstriche bei der Rendite aufgrund hoher Absatzmengen hingenommen. Aufgrund der knappen Rohstoffverfügbarkeit wurden diese Zugeständnisse gegenüber dem deutschen Lebensmitteleinzelhandel jedoch gestrichen. Der aufgetretene Dissens ist in Teilen eskaliert und wurde verschiedentlich gerichtlich ausgefochten. Dies hat u. a. dazu geführt, dass Markenartikelanbieter beispielsweise die Belieferung von EDEKA, REWE oder RTG (Händlerkooperation, über die u. a. die Mitglieder Globus, Tegut, ROSSMANN oder Netto Nord ihre Ware von Nestlé beziehen) teilweise eingestellt haben, um so ihrer Forderung nach höheren Preisen Nachdruck zu verleihen. Im Einzelhandel führte dies verschiedentlich zu Lücken im Regal. Auch wenn sich zwischenzeitlich die Situation beruhigt hat, bleiben die Einkaufskonditionen weiterhin ein aktuelles Thema.
Als erste Reaktion auf die deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten, insbesondere der Kosten für Nahrungs- und Genussmittel, haben Konsumenten ihr Einkaufsverhalten angepasst und ihre Ausgaben eingeschränkt. Lebensmitteldiscounter erfahren einen hohen Zulauf und können zulasten der Supermärkte Umsätze hinzugewinnen. Damit scheint der in den vergangenen Jahren zu beobachtende, auch während der Corona-Pandemie weiter gestützte Boom der Vollsortimenter zunächst gebremst.
Eigenmarken boomen
Die gestiegenen Kosten haben zudem zu einer Veränderung des Kaufverhaltens geführt, die auf die Kurzformel gebracht werden kann: Eigenmarken boomen – Herstellermarken verlieren. Viele Lebensmittelhändler verstärken die Eigenproduktion mit dem Ziel, die Warenverfügbarkeit der Eigenmarken verlässlich zu gewährleisten, die Abhängigkeit von Dritten zu reduzieren und die eigene Flexibilität zu erhöhen.
Generell zeigt sich eine Sortimentsverschiebung zu preisgünstigeren Produkten. Auch nutzen die Verbraucher zunehmend onlinebasierte Marketingaktionen mit digitalen Bons, um Rabatte zu realisieren. Vor diesem Hintergrund „feilen“ EDEKA und REWE an ihren Eigenmarken und weiten diese entsprechend aus. Auch greifen Käufer verstärkt bei Sonderangeboten und Aktionen zu. Seltener werden hingegen Genussprodukte wie Wein und Spirituosen eingekauft.
Experimentiert wird von einigen Discountern mit „Budget-Produkten“, die das bestehende Sortiment preislich nach unten abrunden sollen. Die unter den üblichen Preisniveaus liegenden Produkte sollen insbesondere „prekäre“ Haushalte ansprechen und binden. Der Discounter ALDI SÜD testet beispielsweise unter der Dachmarke „Einfach gut“ neue Billig-Produkte, die die eigenen üblichen Einstiegspreislagen unterschreiten. Auch Netto und NORMA bieten Produkte an, die sich speziell an Kunden mit knappem Haushaltsbudget richten. Damit feilen die Discounter aktuell wieder verstärkt an ihrem Preisimage.
Aber der Preis ist nicht länger nur im Lebensmitteleinzelhandel als herausragendes Einkaufsargument zurück. Auch im Nonfood-Segment boomt der Preis, weshalb preisorientierte Konzepte wie Woolworth, Tedi & Co. ideale Rahmenbedingungen zur schnellen Expansion ihrer Formate vorfinden.
Hinweis: Den HAHN Retail Real Estate Report 2023/24 können Sie hier kostenfrei herunterladen.
Ansprechpartner: Dr. Joseph Frechen, Bereichsleiter Einzelhandel und Niederlassungsleiter Hamburg bei bulwiengesa, frechen@bulwiengesa.de
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